Kindlicher Knick-Senkfuß
Definition des kindlichen Knick-Senkfußes
Begriffserklärung
Der medizinische Fachbegriff für den Knick-Senkfuß ist Pes planovalgus. Die Bezeichnung setzt sich aus drei Wörtern lateinischen Ursprungs zusammen: pes "Fuß", planus "platt" und valgus "nach außen gedreht".
Der kindliche Knick-Senkfuß ist eine häufige Fehlstellung des Kinderfußes. In vielen Fällen stellt sie eine normale Entwicklungsstufe dar und ist harmlos. Manchmal hat der kindliche Knick-Senkfuß aber auch eine krankhafte Ursache, z. B. angeborene Verwachsungen der Fußknochen.
Der Fuß ist beim kindlichen Knick-Senkfuß typischerweise nach innen geknickt, die Ferse befindet sich in einer X-Stellung (Valgusstellung) und steht nach außen. Zusätzlich sind in unterschiedlichem Ausmaß auch das Fußlängsgewölbe und der Vorfuß beteiligt. Damit kann die Fehlstellung alle drei Ebenen im Raum betreffen:
- Schaut man von vorne oder von hinten auf den Fuß, sieht man die X-Fehlstellung der Ferse.
- In der Ansicht von innen erkennt man, dass das Fußlängsgewölbe abgesenkt ist. Es ist nicht mehr gewölbt, sondern liegt flach ("platt") auf dem Boden.
- Sieht man von oben auf den Fuß, zeigt sich oft eine Verschiebung der Vor- und Mittelfußknochen nach außen. Diese Fehlstellung wird als Abduktion des Fußes bezeichnet.
Die genannten Fehlstellungen können unterschiedlich stark ausgeprägt oder auch nur einzeln vorhanden sein. Drei weitere Untersuchungsbefunde sind für die Beurteilung eines Knick-Senkfußes wichtig:
- Weiche (flexible) oder straffe (rigide) Fehlstellung: Bei der flexiblen Fehlstellung kann der Arzt den Fuß passiv korrigieren. Bei der rigiden Form ist dies nicht mehr möglich.
- Kompensierte oder dekompensierte Fehlstellung: Gleicht sich die Fehlstellung bei Bewegung vollständig aus, handelt es sich um einen kompensierten kindlichen Knick-Senkfuß. Der dekompensierte Knick-Senkfuß wird durch Bewegung nicht ausgeglichen.
- Die Länge der Achillessehne.
Wie macht sich der kindliche Knick-Senkfuß bemerkbar?
Der Knick-Senkfuß ist durch seine typische Fehlstellung gut zu erkennen. Diese fällt optisch allerdings meist erst auf, wenn das Kind mit dem Stehen und Gehen beginnt. In der Regel ist der Gang nicht beeinträchtigt und es treten auch keine Schmerzen auf. Manchmal weist die stärkere Abnutzung der Schuhsohle an der Innenkante auf einen Knick-Senkfuß hin. Je nach Ausprägung können sich auch an den besonders belasteten Bereichen des Fußes Schwielen bilden.
Liegen dem Knick-Senkfuß ein Talus verticalis oder Verwachsungen (Koalitionen) zugrunde, können sich Beschwerden wie Schmerzen oder Einschränkungen der Fußbeweglichkeit entwickeln. Die Beschwerden sind immer belastungsabhängig. Sie sind oft am Fußgewölbe, teilweise aber auch unter dem Außenknöchel lokalisiert.
Wie entsteht der kindliche Knick-Senkfuß?
Der kindliche Knick-Senkfuß ist häufig und in vielen Fällen eine Normvariante der Entwicklung. Er beruht auf einer Bandlaxizität, also auf einer Überbeweglichkeit der Bänder am Fußgewölbe. Im Laufe der Entwicklung wird das Bindegewebe der Bänder durch eine Quervernetzung der Kollagene straffer und das Längsgewölbe bildet sich aus. Auch die muskulären Verhältnisse sind wichtig, denn die muskuläre Funktion wirkt sich wesentlich auf die Ausbildung eines Fußlängsgewölbes aus. Eine Rolle scheint dabei eine unzureichende Funktion des hinteren Schienbeinmuskels (Musculus tibialis posterior) zu spielen.
Beim flexiblen Knick-Senkfuß verschiebt sich das Sprungbein und liegt im Gegensatz zum normal entwickelten Fuß nicht regelrecht über dem Fersenbein. Diese Stellungsänderung hat Auswirkungen auf das obere und untere Sprunggelenk.
Die normale Fußentwicklung
Die Form des kindlichen Fußes verändert sich im Laufe des Wachstums. So besitzt der Fuß eines Neugeborenen praktisch kein Fußlängsgewölbe, da dessen Aussparung mit einem Fettpolster (Spitzy-Fettpolster) verdeckt ist. Zudem ist die aktive Aufrichtung des Fußlängsgewölbes erst durch die Belastung der Muskeln möglich – also beim Stehen und beim Laufen. Im Alter bis zu drei Jahren haben fast 60 % der Kinder eine Stellung, die einem Knick-Senkfuß entspricht. Dieser Anteil nimmt bis zum 6. Lebensjahr kontinuierlich auf etwa 25 % ab. Bis etwa zum 11. Lebensjahr kommt es durch das Wachstum zu einer Umformung des Fußes. Der Einfluss von Schuhen auf die normale Entwicklung des Fußgewölbes ist nicht förderlich.
Vom flexiblen Knick-Senkfuß unterscheiden muss man rigide (straffe) Veränderungen des Fußes durch angeborene Varianten. Dazu gehören vor allem der Talus verticalis und die Koalitionen.
- Beim angeborenen Talus verticalis handelt es sich um eine rigide Fehlstellung des Sprungbeins, bei der es zu einer steifen X-Stellung des Fersenbeins und somit zu einem rigiden Knick-Senkfuß kommt.
- Koalitionen sind verwachsene Fußwurzelknochen, die ebenfalls zu einer straffen oder rigiden Fehlstellung führen und in einen Knick-Senkfuß münden können. Ursache der Koalitionen sind eine unzureichende Trennung der Fußwurzelknochen während der Entwicklung.
Daneben können Erkrankungen des Nervensystems mit schlaffen oder spastischen Muskelstörungen zu einem Knick-Senkfuß führen. Auch Fehlstellungen außerhalb des Fußbereichs wirken sich manchmal so auf den Fuß aus, dass ein Knick-Senkfuß entsteht.
Wie diagnostiziert der Arzt den kindlichen Knick-Senkfuß?
Die körperliche Untersuchung und die Befragung sind die Basis bei der Diagnose eines Knick-Senkfußes. Der Arzt fragt nach der motorischen Entwicklung des Kindes und ob es Probleme oder Schmerzen beim Stehen oder Gehen hat.
Die Fehlstellung wird im Stehen mit entspannten Muskeln untersucht sowie mit aktiven Muskeln, z. B. beim Anheben der Großzehe oder im Zehenspitzenstand. Der Einbeinstand hilft dabei, die Stellung des Fußlängsgewölbes zu beurteilen (Längsgewölbetest nach Matussek). Alle Befunde werden sorgfältig dokumentiert, um eine Kontrolle des Verlaufs zu ermöglichen.
Technische Untersuchungen
Als einfache Methode zur Messung des Gangbildes und der Funktion des Fußgewölbes steht die Pedobarographie (Fußabdruckmessung) zur Verfügung. Mit der Podometrie lassen sich viele Fehlstellungen, so auch der kindliche Knick-Senkfuß, objektivieren. Nach der Messung kann die Verlagerung der Abrolllinie des Fußes im Computer grafisch dargestellt und objektiviert werden. Typisch für den kindlichen Knick-Senkfuß ist die Innenverlagerung der Hauptbelastungslinie des Fußes (COP, Center of pressure line) beim Abrollen.
Im Röntgenbild kann man bei technisch richtiger Durchführung den Knick-Senkfuß gut darstellen und ausmessen. Winkelmessungen dienen dabei der Quantifizierung der Fehlstellung. Legt man auf einer seitlichen Röntgenaufnahme Achsen durch das Sprungbein und den Mittelfußknochen 1 an, erkennt man den Senkungspunkt (also den Fehlstellungspunkt).
Das Röntgenbild dient auch dazu, bei straffen Knick-Senkfüßen angeborene Fehlstellungen wie den Talus verticalis oder Koalitionen zu erkennen. Eine Computertomographie oder auch eine Kernspintomographie können zur Sicherung der Diagnose beitragen.
Wie behandelt man den kindlichen Knick-Senkfuß?
Der kindliche Knick-Senkfuß ist ein häufiger Grund für eine Vorstellung beim Arzt. In vielen Fällen handelt es sich um eine Variante der normalen kindlichen Entwicklung des Fußes, seltener um eine krankhafte Veränderung. Die Sorgen, eine Fehlstellung nicht richtig einzuschätzen, aber auch der Druck der Eltern auf die Ärzte führt beim kindlichen Knick-Senkfuß häufig zu medizinisch nicht notwendigen Behandlungen.
Als kontrollbedürftig werden im Vorschulalter Fehlstellungen über 10° angesehen. Fehlstellungen über 20° schätzt man als krankhaft und behandlungbedürftig ein. Je nach Ausmaß und Ursache erfolgt die Therapie konservativ oder operativ.
Konservative Therapie
Ziel der Therapie ist es, den kindlichen Knick-Senkfuß flexibel zu halten. Das bedeutet, dem Fuß in der weiteren Entwicklung möglichst viele Freiheitsgrade zu verschaffen und zu verhindern, dass sich eine rigide (straffe, kontrakte) Fehlstellung entwickelt.
Sind kindliche Knick-Senkfüße ohne Beschwerden und wurden andere Erkrankungen ausgeschlossen, dann sind sie nicht behandlungsbedürftig, auch nicht mit einer Einlage. Schmerzhafte oder die Belastungsfähigkeit einschränkende Fehlstellungen müssen dagegen therapiert werden. Zum Einsatz kommen Einlagen, Physiotherapie und Barfußlaufen.
- Einlagen sind sinnvoll und notwendig, wirken aber nur, wenn die Muskulatur aktiv trainiert wird. Die Art der Fehlstellung gibt verschiedene angepasste Versorgungsmöglichkeiten vor. Eine Fersenfehlstellung ist anders zu behandeln als eine Abflachung oder Aufhebung des Fußlängsgewölbes.
- Die Physiotherapie dient dazu, dass sich Muskeln, Sehnen und Bänder nicht verkürzen und das Kapselgewebe nicht schrumpft. Auf diese Weise kann man einer Versteifung (Kontraktur) der Fehlstellung entgegenwirken.
- Auch das Barfußlaufen spielt eine entscheidende Rolle. Die Wahrnehmungsfunktion des Fußes wieder zu stärken, ist bei allen Fehlstellungen im Kindesalter eine äußerst wichtige Maßnahme. Nicht nur das Gehen auf glatten Böden, vor allem das Barfußlaufen und das aktive Erleben unterschiedlicher Untergründe (z. B. in Barfußparks) dienen der Fußgesundheit.
Wann sollte der kindliche Knick-Senkfuß operiert werden?
Eine operative Therapie des kindlichen Knick-Senkfußes ist bei Beschwerden oder Einschränkungen nur notwendig, wenn die konservative Therapie keine Besserung bringt. Die spontane Korrekturmöglichkeit im Laufe der kindlichen Entwicklung sollte stets mit einkalkuliert werden. Zu langes Warten ist jedoch auch nicht günstig, weil für eine Behandlung das Fußwachstum noch nicht abgeschlossen sein sollte. Die Fußchirurgen der Gelenk-Klinik operieren die meisten Kinder mit Knick-Senkfuß zwischen 11 und 14 Jahren.
Ziel der Operation beim kindlichen Knick-Senkfuß ist, die einzelnen Komponenten der Fehlstellung (Fersenfehlstellung, Abweichung des Vorfußes gegen das Sprungbein und/oder Absenkung des Fußlängsgewölbes) auszugleichen oder zu verbessern. Je nach Ausprägung der verschiedenen Komponenten kommen verschiedene Verfahren kombiniert zur Anwendung. Die Behandlung des kindlichen Knick-Senkfußes mit nur einer Methode ist falsch. Folgende Optionen stehen zur Verfügung:
- Einsatz von Prothesen oder Schrauben (Arthrorise) in den Sinus tarsi: Diese Implantate verhindern die Überbeweglichkeit zwischen Sprungbein und Fersenbein, was einen wesentlichen Teil des kindlichen Knick-Senkfußes ausmacht. Die Fußwurzelknochen bleiben dabei beweglich.
- Versetzung des Fersenbeines mit der Achillessehne: Hierbei wird nach einer Durchtrennung des Fersenbeines die Stellung und der Zug der Achillessehne verändert. Dieses Verfahren wirkt nur auf die Fehlstellung der Ferse.
- Verlängerung des äußeren Strahles mit einem Beckenkammspan (Knochentransplantat aus dem eigenen Körper): Der Fuß wird korrigiert, indem der Chirurg den vorderen Fersenbeinast durchtrennt und einen Knochenspan aus dem Beckenkamm einsetzt. Je nach Lage der Fersenbeindurchtrennung wirkt diese Operation auf alle der Komponenten der Fehlstellung.
Oft sind begleitend zu den korrigierenden Operationen Weichteileingriffe notwendig. Ergibt sich z. B. nach der Korrektur der Fehlstellung eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk, bietet sich die Verlängerung der Achillessehne an. Sie ist auch zur Vermeidung von erneuten Fehlstellungen sinnvoll.