Erworbener Knick-Plattfuß aufgrund Tibialis-posterior-Sehnensyndrom
Definition des erworbenen Knick-Plattfußes
Wenn ein Knick-Plattfuß nicht angeboren ist, sondern aufgrund einer Erkrankung oder Verletzung entsteht, spricht man von einem erworbenen Knick-Plattfuß. Eine besonders häufige Ursache ist das sog. Tibialis-posterior-Sehnensyndrom (auch Tibialis-posterior-Syndrom genannt). Dabei handelt es sich um eine Schädigung der Sehne des hinteren Schienbeinmuskels (Musculus tibialis posterior). Diese besonders kraftvolle Sehne ist vor allem für die Aufrechterhaltung des Fußlängsgewölbes verantwortlich. Wird sie geschwächt, kann sie die aufrichtende Funktion nicht mehr ausüben. Das Fußgewölbe sinkt ein und es entsteht eine Knick-Plattfuß-Fehlstellung.
Wie macht sich der durch ein Tibialis-posterior-Syndrom erworbene Knick-Plattfuß bemerkbar?
Durch die Reizung der Sehne kommt es zunächst zu Schmerzen und Schwellungen im Bereich der Sehne. Die Schmerzen treten insbesondere hinter und unter dem Innenknöchel und entlang der Innenseite des Fußes auf.
Wird die Sehne weiter geschädigt, verlängert sie sich oder reißt sogar. Dann kann sie das Fußgewölbe kaum oder nicht mehr aufrichten. Es flacht ab und es kommt auch dort zu Schmerzen, vor allem beim Gehen. Außerdem ist der Zehenstand auf einem Bein erschwert.
Wie entwickelt sich der Knick-Plattfuß beim Tibialis-posterior-Syndrom?
Die Tibialis-posterior-Sehne zieht vom Unterschenkel kommend unter dem Innenknöchel herum an den Innenrand des Fußes und ist dort knöchern befestigt. Die Sehne richtet das Fußlängsgewölbe und damit den gesamten Fuß auf. Bei Verlust der Funktion durch Verschleiß, Verletzung oder Entzündung hat dies weitreichende Auswirkungen auf die Stellung des Fußes.
Das Syndrom verläuft in drei Phasen:
- Entzündung der Sehne mit Schmerzen und Schwellungen.
- Verlängerung oder Riss der Sehne mit Entwicklung einer Fehlstellung, des Knick-Plattfußes.
- Zunehmende Arthrose der Fußgelenke mit Versteifung in der Fehlstellung.
Im Verlauf kommt es nicht nur zur Knick-Plattfuß-Fehlstellung. Durch die geschwächte Sehne überwiegt der Zug der am äußeren Fußrand ansetzenden Sehnen der Wadenbeinmuskulatur. Es ergibt sich ein Ungleichgewicht der Kräfte, die auf den Fuß wirken. Das führt dazu, dass der Fuß – von oben gesehen – nach außen abweicht.
Außerdem ist durch den Knick-Plattfuß beim normalen Gehen der Dehnungsreiz für Achillessehne und Wadenmuskulatur stark verringert. Das bedeutet, dass sich die Achillessehne verkürzt und die Fehlstellung noch weiter verstärkt.
Ursachen für ein Tibialis-posterior-Syndrom
- Verschleiß
- rheumatische Erkrankungen,
- Verletzungen, z. B. Umknickverletzungen
- Fehl- und Überlastung der Sehne
Anfänglich sind alle Fehlstellungen noch flexibel und passiv mit den Händen ausgleichbar. Erst im Verlauf werden sie fest. Dies nennt man eine kontrakte oder rigide Fehlstellung. Die Korrektur einer kontrakten Fehlstellung mit einfacheren Operationen ist nicht möglich. Stattdessen werden dafür große, versteifende Eingriffe erforderlich.
Aus diesem Grund ist es wichtig, die Fehlstellung mit Einlagen oder einer anderen Therapie flexibel zu halten. Ohne Behandlung wird die Fehlstellung rigide und es kommt rasch zu einer Veränderung der Achillessehne und Wadenmuskulatur.
Wie diagnostiziert der Arzt den durch das Tibialis-posterior-Syndrom erworbenen Knick-Plattfuß?
Bei der klinischen Untersuchung des Fußes erkennt man typischerweise eine Schwellung im Bereich der Sehne. Meist ist der betroffene Bereich auch druckschmerzhaft. Verschiedene Tests der Muskelfunktion helfen, das Ausmaß der Erkrankung zu erkennen. Im Stehen zeigt sich die Knick-Plattfuß-Fehlstellung, also das Nach-Innen-Knicken des Fußes mit Abweichen der Ferse und der Zehen nach außen („Too-many-Toes-Sign“). Das Fußgewölbe ist stark abgeflacht. Das Stehen auf einem Bein fällt schwer, der Zehenspitzenstand – also das Abheben der Ferse – meist noch schwerer. Letzteres wird als "Single-Heel-Rise-Sign" bezeichnet und gilt als früher Hinweis auf die Schwäche des Muskels und der Sehne.
Weitere Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen im Stehen in verschiedenen Ausrichtungen oder die Podometrie dokumentieren die Schwere der Veränderung. Mithilfe der MRT lassen sich der Sehnenverlauf und eventuelle strukturelle Veränderungen darstellen, hierzu sind spezielle Techniken notwendig.
Für eine optimale Behandlung des Knick-Plattfußes ist es unbedingt erforderlich, anhand aller Symptome und Befunde das Ausmaß der Sehnenschwäche und die Stellungsproblematik zu beurteilen.
Wie behandelt man den durch ein Tibialis-posterior-Syndrom erworbenen Knick-Plattfuß?
Bei der Behandlung des Knick-Plattfußes ist es das wichtigste Ziel, die Fehlstellung flexibel zu halten. Gelingt dies nicht, droht der Knick-Plattfuß rigide zu werden. Zudem kommt es durch die Fehlstellung rasch zu einer Veränderung der Achillessehne und Wadenmuskulatur. Um diese schweren Folgen zu verhindern, kommen je nach Ausmaß und Ursache konservative oder operative Maßnahmen zum Einsatz.
Konservative Therapie
Im frühen Erkrankungsstadium kann die Fehlstellung mit Einlagen und Schuhversorgung gebessert werden. Einlagen und Orthesen sind auch deshalb notwendig, um zu gewährleisten, dass die Fehlstellung flexibel bleibt, also nicht rigide wird. Eine Dehnung in gerader Fersenstellung ist besonders sinnvoll, ebenso wie vorsichtige Kräftigung der betroffenen Sehne. Starke körperliche Belastungen sind für die Stellung des Fußes jedoch ungünstig und sollten deshalb vermieden werden
Um die Sehnenreizung zu lindern, können aus Eigenblut gewonnene Medikamente injiziert werden (sog. autologes Plasma). Kortisoninjektionen wirken ebenfalls entzündungshemmend. Sie können jedoch durch ihren eiweißabbauenden Effekt die Sehne weiter schädigen und sollten deshalb nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Bei unzureichender Besserung ist auch eine operative Entfernung der Schleimhaut in der Sehnenhülle üblich.
Operative Behandlung des durch Tibialis-posterior-Syndrom erworbenen Knick-Plattfußes
Bei einem Funktionsverlust der Tibialis-Posterior-Sehne muss ein Knick-Senkfuß operiert werden. Es geht darum, eine straff (rigide) werdende Fehlstellung und damit die Schädigung der Gelenke zu vermeiden. Verpasst man den Zeitpunkt eines Sehnenersatzes und einer Knick-Plattfußkorrektur, sind bei fortgeschrittener Erkrankung nur noch Versteifungen des unteren Sprunggelenkes hilfreich. Je schwerer die Fehlstellung und je klarer ein Riss des Sehne vorliegt, um so drängender sind operative Maßnahmen, wenn die Gelenke erhalten bleiben sollen.
Sehnenoperationen wie eine Sehnenverstärkung durch Sehnenverlagerungsoperation/-transfer sollen die Funktion der geschädigten Sehne ersetzen und durch eine Umstellungsoperation am Fersenbein die Stellung korrigieren. Zusätzlich sind immer auch knöcherne Korrekturen durchzuführen. Diese können je nach Fehlstellung am Fußrücken innen oder außen erfolgen oder seitlich am Fersenbein:
- Verlängerung des Fußes nach außen durch die EVANS-Osteotomie,
- Verlagerung des Fersenbeins nach innen durch die Medial-Displacement-Osteotomie (MDO),
- Verkürzung des Fußes auf der Innenseite oder
- Korrektur des Fußes durch Einsetzen eines Keils.
Wenn die gelenkerhaltenden Sehnen- und Knochenkorrekturen nicht mehr ausreichen, sind nur noch Versteifungen medizinisch sinnvoll. Dabei wird der Fuß mittels Double-Arthrodese oder Triple-Arthrodese in korrigierter Stellung operativ versteift.
Nach der Versteifung kann der Fuß noch gehoben und gesenkt werden, das obere Sprunggelenk ist von der Versteifung also nicht betroffen. Allerdings ist das Gehen auf unebenem Gelände erschwert – das konnten die Patienten aufgrund ihrer Fehlstellung bereits über Monate oder Jahre schon nicht mehr. Viel wichtiger ist, dass die Betroffenen nun einen gerade gestellten Fuß haben, diesen belasten und auf ebenem Gelände wieder schmerzfrei laufen können.